
Offener Prozess – ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex
Erinnern. Fragen. Informieren. In der Kulturhauptstadt 2025 Chemnitz
München, 27. August 2025 – Daran, dass Nationalismus, Rassismus und Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Geflüchtete oder Minderheiten in Deutschland zum Alltag werden, dürfen wir uns nicht gewöhnen. Umso wichtiger ist es, sich die Vergangenheit immer wieder vor Augen zu führen, daran zu erinnern und zu informieren. In Chemnitz, der europäischen Kulturhauptstadt 2025, eröffnete darum im Frühsommer 2025 das NSU-Dokumentationszentrum, zu dessen außergewöhnlicher Architektur auch Graphisoft einen Beitrag leisten durfte.
Mit dem NSU-Komplex wurde ein dunkles Kapitel unserer jüngeren deutschen Geschichte geschrieben: Zehn unschuldige Menschen, neun von ihnen wegen ihrer Herkunft und eine junge Polizeibeamtin im Dienst, sind zwischen 2000 und 2007 ermordet worden; viele weitere Opfer leiden bis heute an körperlichen und seelischen Verletzungen.

In Chemnitz, der europäischen Kulturhauptstadt 2025, eröffnete im Frühsommer 2025 das NSU-Dokumentationszentrum, zu dessen außergewöhnli-cher Architektur auch Graphisoft seinen Beitrag bei der Planung leisten durfte.
Bild: Tim Westphal, 2025
Offenen Dialog fördern ohne gesellschaftliche Barrieren
Die Aufarbeitung der unzähligen schweren Straftaten von Uwe Bönhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, der Morde und der Hintergründe ist trotz der Verurteilung 2018 ebenso wenig abgeschlossen wie die Traumata der Überlebenden und Hinterbliebenen bewältigt sind. In Chemnitz, wo das Trio über Jahre untertauchte, ruft das erste NSU-Dokumentationszentrum in ganz Deutschland zum Erinnern auf. Es lässt die Hinterbliebenen zu Wort kommen, beleuchtet die Fakten zu Ermittlungen, Ermittlungspannen und Gerichtsprozessen und gibt Raum für eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema NSU.
Der breit gefächerte Dialog, den die hinter dem Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex (dem ersten seiner Art in Deutschland) stehenden Vereine ASA-FF e.V., RAA Sachsen e.V. und Initiative Offene Gesellschaft e.V. gemeinsam mit und in der Stadt Chemnitz führen, spiegelt sich auch in der Architektur vor Ort wider: Betritt man den Hauptzugang des Zentrums vom historischen Johannisplatz aus, fällt die Offenheit des zentralen Ausstellungsraumes schon nach der Türschwelle auf. In diesem einen, großen Raum fühlt sich niemand ausgegrenzt. Ein großzügiger Willkommensbereich mit einem Infotresen, verschiedene Tische, Stühle und Sitzgelegenheiten laden zum Innehalten, Ausruhen, Nachdenken und zum Austausch ein. Danach betritt man die Ausstellung mit den verschiedenen Stationen und dem umfangreichen Bild-, Ton- und Aktenmaterial. Die bisher noch nie gezeigten Inhalte und die große Menge detaillierter Informationen veranlassen die Gäste der Ausstellung, sich lange und intensiv mit der Thematik zu befassen. Das geschulte Personal ist dabei stets dezent in der Nähe von Besucherinnen und Besuchern und nimmt sich ihrer Fragen und Kommentare sachkundig an.
Opfern wie Angehörigen Sichtbarkeit verleihen
Die gute Einsehbarkeit aller Ausstellungsbereiche in einem szenenhaft ausgeleuchteten Raum und die Leichtigkeit der Innenarchitektur sollen weder über die Wichtigkeit des dokumentierten Themas noch über die persönlichen Tragödien von Opfern und Angehörigen hinwegtäuschen. Im Gegenteil; ein erfahrenes Projektteam aus Architektur, Szenografie, Innenarchitektur und Fachplanung schuf gemeinsam einen Ort, der jenen eine Sichtbarkeit verleiht, über die man viel zu wenig wusste: den Opfern sowie ihren Angehörigen und deren Kampf um Gerechtigkeit.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit – auch bei der Ausstellungsarchitektur
Dass Zusammenarbeit und Interdisziplinarität bei Entwurf, Planung und Realisierung des Projekts notwendig waren, zeigt der enge Zeitplan: Projektstart war am 1. November 2024, die Eröffnung bereits am 25. Mai 2025. Lange war nicht klar, ob das NSU-Dokumentationszentrum auch nach 2025 am Johannisplatz und in der Stadt Chemnitz bleibt. Unter anderem auch deshalb wurde konsequent kreislaufgerecht geplant und gebaut. Hohe Vorfertigung, Schraub- und Steckverbindungen, die sich leicht wieder trennen lassen, und Materialien, die einfach in den Wertstoffkreislauf zurückgegeben werden können, waren hierfür notwendig. Denn nur so lässt sich gewährleisten, dass die komplette Intervention innerhalb eines Monats wieder zurückgebaut werden kann, wenn nötig.
Vorfertigung, Kreislaufgedanke und Interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern nicht allein kluge Köpfe bei den Projektbeteiligten, sondern gleichzeitig die passenden Werkzeuge in Entwurf, Planung und Realisierung. Darum zögerte Graphisoft Deutschland nicht, als im Frühjahr 2024 die Anfrage der Projektarchitektin Esther Gerstenberg (für den Verein Initiative Offene Gesellschaft e.V.) eintraf, ob das Unternehmen für die Planung zwei kostenfreie Archicad-Lizenzen zur Verfügung stellen könne. Die Software erwies sich für viele Einsatzbereiche als nützlich: Sowohl bei Studien und Vorentwürfen als auch bei der Erarbeitung der Grundlagen für die Ausstellungsdramaturgie und bei den darauffolgenden Ausschreibungen konnte Archicad das Team unterstützen.

Die Eröffnungsveranstaltung am 25. Mai: Das NSU-Dokumentationszentrum am historischen Johannisplatz ist das erste seiner Art in Deutschland und ein wichtiger Baustein für die kritische Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex.
Bild: Ernesto Uhlmann, 2025
Wenige Monate nach der Eröffnung steht fest, dass sich Zeit, Mühe und Arbeit für das Projekt Offener Prozess – ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex gelohnt haben. Das Zentrum konnte bis Mitte August 2025 schon über 7.000 Besucher begrüßen, insgesamt 65 Veranstaltungen sowie 6 Workshops umsetzen. Die (über-)regionale und internationale Berichterstattung sowie zahlreiche Veranstaltungen vor Ort haben dazu sicher einen wichtigen Beitrag geleistet. Hauptgründe sind jedoch das persönliche Engagement aller Beteiligten und das gemeinsame Ziel, einen Ort der Erinnerung, Begegnung und der kritischen Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NSU zu schaffen.
Das NSU-Dokumentationszentrum in Chemnitz ist ein wichtiger Baustein für eine kritische Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen und rechtsextremen Bewegungen in Deutschland. Aufklärung und ein offener Dialog – mit allen Seiten und politischen Strömungen – sind hierfür unverzichtbar. Die dauerhafte Finanzierung solcher Projekte ist allerdings keineswegs gesichert. Für das Zentrum wird es voraussichtlich mit Unterstützung des Freistaates Sachsen weitergehen. In einer aktuellen Pressemeldung des Teams Offener Prozess heißt es dazu: „Wir freuen uns […] über den sächsischen Haushaltsbeschluss und die potenzielle Weiterfinanzierung für 2026.“
Mehr Informationen über Offener Prozess – ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex finden Sie hier.